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#NeinheißtNein auch bei #Behandlungsfehler

Süddeutsche Zeitung, 11.3.2016

Der heutige Anlass zu meinem Artikel ist eine Kolumne von Carolin Emcke, die in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist. Darin betont sie die Bedeutsamkeit, die dem "Nein" der Opfer von sexualisierter Gewalt im Sexualstrafrecht zukommen sollte. Es gilt, das "Nein" des Opfers als ausreichend zu berücksichtigen, um einen sexualisierten Übergriff als strafrechtsrelevante Handlung anzusehen. 

 

Sicher kennt Ihr schon die Kampagne von UN Women Deutschland #NeinheißtNein, die sich gegen die Tatsache richtete, dass nach dem deutschen Recht sexualisierte Gewalt erst strafbar ist, wenn sich ein Opfer dagegen gewehrt hat. Und dies auch beweisen kann. 

 

Der freien Selbstbestimmung von Frauen wird damit weiterhin, auch in der jetzt vorgelegten Neufassung im Anschluss an die Ereignisse in Köln im  deutschen Recht weiterhin eine Absage erklärt: "„Nein heißt immer noch nicht Nein. Sexuelle Handlungen, die ohne ausdrückliche Zustimmung erfolgen, wie Berührungen an der Brust oder in den Schritt, gelten auch im geplanten Gesetz nicht als strafbar.", schreibt UN Women Deutschland in der Pressemitteilung.

 

Nicht nur, dass sich über die klare Äußerung des "Neins" einer Frau gegenüber einem Mann hinweg gesetzt wird. Die Bedingungen für eine Frau, juristische Unterstützung bei der Durchsetzung ihres Grundrechts auf freie Selbstbestimmung zu bekommen, streben damit weiter gegen Null. 

 

Was mein Fall eines ärztlichen Behandlungsfehlers hiermit zu tun hat?

Das möchte ich Euch in diesem Artikel gern erläutern. Doch hier könnt Ihr zuerst einen Beitrag von Christina Lunz auf zeit.online und dann die Pressemitteilung von UN Women Deutschland lesen.

zeit.online, 8.3.2016

Nein heißt Nein 

- Gastbeitrag von Christina Lunz  

Grabschen ist nicht strafbar, und das Nein eines Vergewaltigungsopfers zählt nicht. Höchste Zeit für ein neues Sexualstrafrecht in Deutschland.

Nein heißt Nein - Pressemitteilung und Kampagne von UN Women Deutschland, 18.3.2016

Sicher ist Euch die Kampagne von UN Women Deutschland unter dem Stichwort #NeinheißtNein' bereits bekannt, an der sich in den sozialen Netzen namhafte Prominente wie Maria Furtwängler, Natalia Wörner, Jasmin Tabatabai, aber auch Jan Delay beteiligt haben.

Nein heißt Nein - auch bei Behandlungsfehler

Mein Fall eines Behandlungsfehlers ist besonders gravierend und deshalb wohl geeignet, in der Frage der Rechte von Patienten, die ja immer zum Opfer werden, aufzurütteln und auf die Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, die trotz des neu gefassten Patientenrechtegesetzes weiterhin bestehen.

 Meine Erfahrung eines Behandlungsfehlers ragt zudem in verschiedene andere juristische Felder, auch das Sexualstrafrecht hinein. Denn neben der Tatsache ärztlichen Fehlverhaltens ist er auch als sexualiserter Übergriff eines Mediziners auf mich als Patientin zu sehen. Da wird es nur umso deutlicher, wie sehr die Opfer ärztlicher Behandlungsfehler, und natürlich auch und gerade Frauen, in ihren Rechten beschnitten, und durch alle im Gesundheitssystem an der Beurteilung von Arztfehlern beteiligten Instanzen, durch die Anwälte der ärztlichen Haftpflichtversicherungen, und eben auch durch Staatsanwaltschaften negiert und herabgesetzt werden. 

 

Als Opfer eines ärztlichen Behandlungsfehlers bleiben Betroffene, trotz des neu gefassten Patientenrechtegesetzes, in der Tendenz weiter ungeschützt in ihrem Recht auf Selbstbestimmung, auf körperliche und seelische Unversehrtheit. Denn jeder Fehler eines Mediziners bedeutet zugleich einen enormen Vertrauensbruch, da der Patient oder die Patientin ihm für seine Behandlung das ganze Vertrauen entgegen gebracht hat. Dass den Opfern immer wieder die berechtigte Kritik am ärztlchen Fehlverhalten und eine wirkliche Entschädigung versagt wird, kann man nur als Missbrauch dieses Vertrauensverhältnisses bezeichnen.

 

In Bezug auf Carolin Emckes Text in der Süddeutschen möchte ich hier Folgendes von meinem Standpunkt aus hinzufügen:

Ihren Ansatz, die hohe Bedeutung, die dem "Nein" eines Opfers zukommen muss - auch und gerade juristisch - unterstütze ich voll und ganz. Denn dieses "Nein" nicht für eine strafrechtliche Verfolgung und Beurteilug der Täter in Betracht zu ziehen, würde in meinen Augen die Frage nach einem Hinter-Sinn, einem verborgen implizierten, frauenverachtenden Tenor unserer Justiz aufwerfen, nämlich die Frage: Sind  Frauen-Opfer nach der bisherigen Rechtslage menschliche Wesen zweiter Klasse? Und dies trifft eben, mein Fall belegt es, insbesondere Frauen, die missbraucht wurden und Strafanzeige stellen. Schwere Traumata sind nicht selten die Folge der Nichtanerkennung der menschlichen Grundrechte.

 

Missbrauch beginnt da, wo ein Mensch ein "Nein" äußert, und über dieses hinweggegangen wird. Dies muss auch vor jedem deutschen Gericht Anerkennung finden! Denn zu unserem Körper gehört, nebenbei bemerkt, auch unsere Seele, eine Trennung beider ist vollkommen undenkbar.

 

Das im Grundgesetz verankerte und festgeschriebene Recht auf Unversehrtheit muss also immer für beides gelten: Körper und Seele! Es gilt zu sehen, dass ein missbrauchter Mensch, egal ob er körperlich oder psychisch missbraucht wurde, eben nicht "unversersehrt" ist!  

 

Wieso also sollte Opfern, egal ob Frauen oder Männern, durch einen juristisch menschenfeindlichen Tenor in der Gesetzgebung ihr fundamentales Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen werden?

 

Jetzt komme ich zurück auf meinen Fall eines ärztlichen Behandlungsfehlers, um zu verdeutlichen, wie die Grundrechte eines missbrauchten Opfers von deutschen Staatsanwaltschaften und Richtern unter der Annahme seiner "angenommenen Zustimmung" - nichts anderes wäre doch ein Ignorieren seines "Nein" -  seitens der Gerichte unberücksichtigt bleiben können. Was ich persönlich, man kann es sich wohl vorstellen, schon als einen unglaublichen, juristischen Winkelzug und Missachtung der Persönlichkeitsrechte eines Opfers ansehe.

 

Der Chirurg hat mich ungeniert anästhesiert und in meiner Geschlechtsregion nach Belieben herum geschnitten und genäht. Es ist nicht erstaunlich, dass ich unter diesen Bedingungen noch nicht einmal zu einem Nein kam. In meinem Fall wäre dies auch ein klares "Ja" gewesen, das ich sogar nach geltendem Recht hätte unterschreiben müssen.

 

Da mir dies bekannt war, rechnete ich gar nicht mit einem weitergehenden Eingriff. Ich wusste, dass in unserem Recht festgeschrieben ist, dass jeder Mediziner sich seinen Eingriff zuvor durch die Unterschrift des Patienten oder der Patientin bestätigen lassen, und  auch über eventuelle Nebenwirkungen oder Folgen aufklären muss.

 

Beides tat der Chirurg nicht. Als Gipfel seines Treibens erlaubte er sich noch, meinen entblössten Unterkörper nach seinem teuflischen Eingriff ungefragt, und folglich unerlaubt, zu fotografieren. Da war ich selbst kaum noch bei Sinnen vor Schmerzen. Und vor Entsetzen.

 

Ich erstattete Strafanzeige. Der Rest des Geschehens lässt sich auf meiner Webseite www.johannadarka.com nachlesen.

 

 

Da bei ärztlichen Behandlungen grundsätzlich so lange von einem "Nein" des Patienten auszugehen ist, bis er schriftlich per Unterschrift der jeweils präzise zu umreissenden, ärztlichen Handlung und Operation zugestimmt hat, kehrten sich in meinem Fall sozusagen die Verhältnisse um: Es ist rechtlich so lange davon auszugehen, dass ich nicht in den Eingriff eingewilligt habe, bis meine Unterschrift in diesen vorliegt. Also bis heute. 

 

Dies muss auch vor jedem deutschen Gericht Anerkennung finden. Denn zu unserem Körper gehört nebenbei bemerkt auch unsere Seele, eine Trennung beider ist vollkommen undenkbar. Das im Grundgesetz verankerte und festgeschriebene Recht auf Unversehrtheit muss also immer für beides gelten: Körper und Seele! Es gilt zu sehen, dass ein missbrauchter Mensch, egal ob er körperlich oder psychisch missbraucht wurde, eben nicht "unversersehrt" ist!  Wieso sollte also den Opfern durch einen juristisch menschenfeindlichen Tenor in der Gesetzgebung ihr fundamentales Recht auf Missbrauch abgesprochen werden?

Soweit die Theorie. Aber angewandtes Recht in Deutschland für Frauen sieht anders aus.

 

Schon damals kamen mir die seltsam anmutenden Handlungen des mir zuvor unbekannten Chirurgen wie eine Vergewaltigung mit einem Skalpell vor. Als ich einige Zeit danach einen Notruf für vergewaltigte Frauen aufsuchte und mit einer Rechtsanwältin sprach, reagierten die Frauen dort entsetzt. So etwas solle ich keinesfalls vor Gericht äußern, dann würde ich etwas erleben, als hysterische Frau abgestempelt und nur noch weiter traumatisiert. Wir kennen solche Fälle aus Anklagen von Vergewaltigungsopfern. 

 

Aber dazu sollte es gar nicht kommen. Es hat niemanden interessiert, wie ich die Sache sah. Schon vor einer eventuellen Gerichtsverhandlung wurde die strafrechtliche Verfolgung der Angelegenheit rasch eingestellt. Begründung: keine Aussicht auf Erfolg bei der Verfolgung eines Mediziners.

 

In der zivilrechtlichen Verfolgung meines erlebten Behandlungsfehlers sollte ich dann zugleich erfahren, wie man erstens mit Opfern von ärztlicher Fehlbehandlung, und zweitens mit Frauen in diesen Fällen juristisch verfährt.

 

In meinem Fall eines schlimmen, sexualisierten Übergriffs seitens eines Arztes wurde vor Gericht und in einem gerichtlichen Gutachten (eines mit dem übergriffigen Chirurgen befreundeten Chirurgen) die Behauptung aufgestellt, es sei von der Annahme auszugehen, dass ich in den, meine Geschlechtsteile verstümmelnden, ärztlichen Eingriff eingewilligt, also zugestimmt hätte - wenn dieser Mediziner mich denn gefragt hätte!

Er hatte mich weder gefragt, noch mich über seinen Eingriff aufgeklärt - und natürlich hatte er in diesem Fall auch nicht meine Unterschrift zum Beleg meines Einverständnisses in seine Operation unter örtlicher Narkose!

 

Auch in meinem Fall eines schlimmen, sexualisierten Übergriffs seitens eines Chirurgen wurde vor Gericht und in einem gerichtlichen Gutachten (eines mit dem übergriffigen Arztes befreundeten Chirurgen) die Behauptung aufgestellt, es sei von der Annahme auszugehen, dass ich in den, meine Geschlechtsteile verstümmelnden, unter Betäubung vollzogenen, ärztlichen Eingriff eingewilligt, also zugestimmt hätte, wenn dieser Mediziner mich denn gefragt hätte!

Ich möchte zusammenfassend feststellen:

 

Dem "Nein" einer Frau, das jetzt endlich im deutschen Sexualstrafrecht berücksichtigt wurde, damit Frauen in ihrem Selbstbestimmungsrecht anerkannt werden können, entspricht in allen Behandlungsfehlerfällen ein klares, notwendiges "Ja" mit der entsprechenden Unterschrift. Fehlt die Unterschrift zur Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff fehlt das Ja und das heißt ein "Nein"!

Eigentlich eine Banalität, oder?

 

Dies darf einer Frau wie mir von Juristen nicht umgedeutet werden. Zugunsten einen männlichen Arztes! 

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