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Krankenkassen erwirtschaften ein Plus von 16 Milliarden - unter sehr erfolgreicher Ausblendung der schwerst Betroffenen von Behandlungsfehlern

Bericht des Deutschen Ärzteblattes vom 9.12.2016 -
 
Krankenkassen mit 16 Milliarden im Plus

Ein Kommentar

„Die guten Kassenzahlen zeigen, dass wir bei den notwendigen Verbesserungen, die wir in dieser Wahlperiode für die Patientinnen und Patienten auf den Weg gebracht haben, mit Augenmaß vorgegangen sind“, erklärte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). 

 

Augenmaß?

 

-  frage ich mich als schwer Betroffene eines gravierenden, ärztlichen Behandlungsfehlers, der vor mehr als siebzehn Jahren passierte und bis heute nicht entschädigt wurde. Dies frage ich mich aber insbesondere auch als Journalistin und Autorin meines Buches Die Wunde in mir - Misshandlung auf Krankenschein. Seit langem engagiere ich mich, um die Missstände für Betroffene von Behandlungsfehlern publik zu machen. Mir sind unfassbare Fälle ärztlichen Versagens bekannt geworden, das die Betroffenen schwer getroffen, ihnen ihr gesamtes Leben abgeräumt hat.

 

Aber, und das ist noch schmerzlicher für die Geschädigten, zusätzlich werden sie in ein gesellschaftliches Abseits gestoßen, indem alles, was seitens des Gesundheitsministeriums als Hilfe in einem Behandlungsfehler-Fall zur Verfügung gestellt wird, nur Makulatur ist. Ein stumpfes Instrument im Kampf des geschädigten Opfers gegen die Übermacht von Medizinern, Krankenhäusern, Haftpflichtversicherungen und ihren ausgebufften Rechtsvertretern. Sie alle haben auf der Grundlage eines effektiv fehlenden Patientenschutzes ein sehr leichtes Spiel mit Schwerkranken. Man reibt sich die Augen, wenn der Gesundheitsminister ein "Patientenrechtegesetz" anpreist, das seinen Namen kaum verdient und es den Gesunden als vermeintlichen Schutz anbietet. Da es die Rechte der Patienten eben gerade nicht auf real wirksame Weise beschützt.

 

Siehe auch meine Artikel 

Drei Jahre Patientenrechtegesetz - ein Offener Brief an den Patientenbeauftragten der Bundesregierung, medizinische Studien an Demenzkranken erlaubt

und  Nützt das Recht auf Einsicht in die eigene Krankenakte dem fehlbehandelten Patienten? - Transplantationsskandal im UKE Hamburg.

 

Wie inzwischen bekannt wurde, sterben nach offiziellen Angaben jährlich allein 19.000 Patienten an medizinischen Behandlungsfehlern in den deutschen Krankenhäusern. Mindestens 200.000 Behandlungsfehlerfälle pro Jahr werden dort gezählt, die Dunkelziffern und auch die in ambulanter Behandlung passierenden, bislang nirgendwo registrierten, Fälle erhöhen die Zahlen, die schnell an eine Million pro Jahr heranreichen dürften.

 

Augenmaß?

 

Es gibt nur noch wenige Familien oder Bekanntenkreise ohne einen, zumindest erst einmal vermuteten, Behandlungsfehler-Fall. Beinahe jeder kennt jemanden, dem „so etwas“ schon passiert ist. Am Schlimmsten sind natürlich die unfassbar vielen Fälle in den Krankenhäusern und bei Operationen. Diese rufen häufig lebensbedrohliche Schädigungen hervor, wie beispielsweise den Befall innerer Organe oder operierter Gelenke (Knie, Hüfte) mit resistenten und lebensbedrohlichen MRSA-Keimen. Diese kommen aufgrund der Profitorientierung unserer Krankenhäuser täglich und in enorm hoher Anzahl vor. Da die Umsetzung der Hygiene-Vorschriften Zeit bräuchte, und da Zeit Geld ist bei den privaten Krankenhaus-Konzernen. Schon ein einfacher Keimtest bei der Aufnahme in eine Klinik, wie es zum Beispiel in unserem EU-Nachbarland Niederlande gemacht wird, könnte die Fälle mindern. Aber  das sei hierzulande „zu teuer“, wird gesagt.

 

Zu kostspielig für das Leben tausender Betroffener? Holland hat die Konsequenz aus dieser im wahrsten Sinne tödlichen Bedrohung durch deutsche Patienten gezogen. Sie werden nicht in einer dortigen Klinik behandelt, falls sie in dem Jahr zuvor in einem deutschen Krankenhaus gewesen sein sollten. Verseucht, die Deutschen. Zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit, zu hoch für die Niederländer. Und für uns? Wann wird sich hieran endlich wahrhaftig etwas ändern?

 

Der Artikel des Deutschen Ärzteblattes stellt uns demgegenüber die wunderbaren und als erfolgreich gepriesenen Zahlen vor: "Die Krankenkassen haben in den ersten drei Quartalen des Jahres einen Über­schuss von 1,55 Milliarden Euro erzielt. Damit steigen die Finanzreserven der Kassen auf mehr als 16 Milliarden Euro. Das gab das Bundesgesundheits­mi­­­nis­terium (BMG) heu­te bekannt. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres gab es noch ein Defizit von 359 Millionen Euro. Die Ersatzkassen verzeichneten in den ersten drei Quartalen einen Überschuss von rund 757 Millionen, die AOKen von 559 Millionen, die BKKen von 91 Millionen. bei der Knappschaft-Bahn-See waren es 125, und bei der landwirtschaftliche Krankenver­siche­rung 26 Millionen Euro."

 

Augenmaß? 

 

Warum, das fragt man sich angesichts solcher Überschusszahlen, kommt nichts davon der Hilfe von Betroffenen unseres Gesundheitssystems zu, das für die Opfer zum Krankheitssystem geworden ist?

Haben die Opfer verdient, dass man sie ausblendet? Sollte sich das eine Gesellschaft, die wie unsere zunehmend in arm und reich auseinanderdriftet, auch noch zumuten? Ein Abwimmeln von Opfern in ihren berechtigten Ansprüchen auf Hilfe und möglichst rasche Wiedergutmachung? Damit das Heer derer, die in Politikern keine Vertreter und Schützer ihrer Lebensbedingungen mehr sehen können, immer mehr anwächst?

 

Warum begründen die Krankenkassen nicht mit einem Teil dieses Geldes einen Fonds, der die Betroffenen rasch entschädigt, der ihre Interessen gegenüber den Haftpflichtversicherungen der Mediziner und Krankenhäuser vertritt und geltend macht? Die Krankenkassen verwalten das Geld ihrer zahlreichen Mitglieder. Da sollten sie dazu verpflichtet werden, diese nicht nur als gesunde, neue Mitglieder mit Fitness und anderen Angeboten in die jeweilige Kasse zu locken. Sie sollten ihren Mitglieder effektiv beistehen. Auch und gerade dann, wenn diese krank und geschädigt aus einer ärztlichen Behandlung heraus gehen. Nichts spräche wohl dagegen, dass die Krankenkassen mit den ärztlichen Haftplichtversicherungen die Bedingungen einer Wiedergutmachung einer Fehlbehandlung aushandelten. Von Versicherung zu Versicherung sozusagen. Mit Augenmaß und in Augenhöhe. Und mit Engagement für ihre Mitglieder. Und zwar für alle, gesunde und kranke.

 

Die Betroffenen von Behandlungsfehlern sind zurecht von der Politik enttäuscht. Von unseren Gesundheitspolitikern und insbesondere von Gesundheitsminister Hermann Gröhe, der bislang nichts dafür tut, dass sich die Verhältnisse ändern. Aber alles hervorragend zu verkaufen versteht. Die Betroffenen von Behandlungsfehlern bräuchten einen Politiker, der für eine allumfassende Gesundheitspolitik einsteht, auch für die zum Opfer des Gesundheitssystems gewordenen Menschen. Sie brauchen keinen sehr guten Verkäufer der Gesundheitswirtschaft. Sie brauchen einen Politiker mit Augenmaß.

 

Augenmaß?

 

Herr Gröhe, Sie sollten einen moralischen Optiker aufsuchen und Ihr "Augenmaß" korrigieren lassen. Bitte hören Sie auf, Zahlen an Gesunde zu verkaufen. Kümmern Sie sich auch um die Opfer unseres Gesundheitssystems. Sie verdienen es, dass man ihnen hilft. Sie selbst können sich kaum helfen. Schon allein aufgrund ihrer schweren Erkrankung und der damit verbundenen weiteren, existenziellen Bedrohungen.

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Kommentare: 1
  • #1

    H.Rupprecht (Freitag, 09 Dezember 2016 16:01)

    meine KS, schreibt "Bedingt durch rechtliche Änderungen steigen die Mindest- und Höchstbeträge in der Kranken- und Pflegeversicherung zum 1. Januar 2017"...was soll ich davon halten...das müsste ja heißen...wenn die Krankenkassen, ein Minus erwirtschaften, sinken die Beiträge...